Kriegsberichterstatter - eine aussterbende Gattung
Es gibt immer weniger Journalisten die Kriegshandlungen aus der Nähe miterlebt haben - und wenn doch, dann nur als sogenannte Embedded Journalist.
Überlebende dieser alten Garde von Journalisten mit Kriegserfahrung sind zum Beispiel:
In einem Podcast sprechen die Beiden über Journalismus und den Krieg in der Ukraine. Ich habe die Einleitung und einige wichtige Punkte übersetzt. Siehe auch bei SHEERPOST: Patrick Lawrence - So Far As I Can Make Out, Chris Hedges - Ukraine and the Politics of Permanent War
Der Chris Hedges Report Podcast mit Patrick Lawrence untersucht, wie die westliche Presse zu einem Propagandawerkzeug der Kriegsindustrie und der ukrainischen Regierung geworden ist
Der Ukraine-Konflikt hat die Welt in eine geopolitische Krise gestürzt. Doch das ist nicht die einzige Krise, wie der Schriftsteller Patrick Lawrence feststellt. Der Krieg in der Ukraine hat die Krise innerhalb der westlichen Presse verschärft und einen Schaden angerichtet, der seiner Meinung nach letztlich irreparabel ist. Die Presse in den USA und den meisten europäischen Ländern gibt sklavisch die Meinungen einer herrschenden Elite wieder und überwacht einen öffentlichen Diskurs, der oft von der realen Welt abgekoppelt ist. Sie diskreditiert oder zensiert offen alles, was dem vorherrschenden Narrativ über die Ukraine widerspricht, egal wie sachlich es ist. So veröffentlichte beispielsweise Amnesty International am 4. August einen Bericht mit dem Titel "Ukrainische Kampftaktiken gefährden Zivilisten". Darin wird den ukrainischen Streitkräften vorgeworfen, Zivilisten zu gefährden, indem sie Stützpunkte und Waffensysteme in bewohnten Wohngebieten, darunter auch in Schulen und Krankenhäusern, errichten und damit gegen die Kriegsgesetze verstoßen. Die Presse und die herrschenden Eliten reagierten wütend auf Amnesty International, wenn sie die ukrainischen Kriegsverbrechen anprangerten, auch wenn sie gut dokumentiert waren. Die Leiterin des Kiewer Büros von Amnesty International trat zurück und nannte den Bericht "ein Werkzeug der russischen Propaganda". In einer der vielen Schlägen unter der Gürtellinie schrieb das Royal United Services Institute (RUSI) in London: "Der Amnesty-Bericht zeigt ein schwaches Verständnis für die Gesetzmäßigkeiten bewaffneter Konflikte, kein Verständnis für militärische Operationen und gibt sich mit Unterstellungen zufrieden, ohne Beweise zu liefern." Es ist fast unmöglich, die “Tugenden” der ukrainischen Regierung und des ukrainischen Militärs in Frage zu stellen. Diejenigen, die dies tun, werden angegriffen und aus den sozialen Medien verbannt. Wie konnte das passieren? Warum ist eine Position zum Krieg in der Ukraine der Lackmustest dafür, wer sich äußern darf und wer nicht? Warum sollte eine Stellungnahme zur Ukraine eine Zensur rechtfertigen? Über diese Fragen spricht mit mir Patrick Lawrence, der fast dreißig Jahre lang als Korrespondent und Kolumnist für die Far Eastern Economic Review, die International Herald Tribune und den New Yorker tätig war. Er ist der Autor von Somebody Else's Century: East and West in a Post-Western World und Time No Longer: America After the American Century
Auf die Frage: “warum werden Selenski und die Ukraine so verherrlicht” antwortet Lawrence mit einem Zitat von John Pilger (auch so ein Fossiel des Journalismus alter Schule). Wir leben in einem Medien-Zeitalter, in einem Zeitalter von Kriegen durch Informationen. Deformation durch Information.
Es is wichtig dass die öffentliche Meinung diesen Krieg unterstützt, darum sind Risse in der Fassade nicht zulässig (man denke an den Amnesty International Bericht). Ohne diese Unterstützung, sind die Leute nicht mehr bereit Opfer zu bringen.
Im Ukraine-Krieg sehen die Reporter keine echten Kampfhandlungen, manchmal gestattet Kiev begleitete Ausflüge (Hedges nennt dies “dog- and pony-shows”). Die Informationen werden ihnen von der ukrainischen Pressestelle ausgehändigt.
Im Vietnamkrieg 1975 wurde die Friedensbewegung durch die wahrheitsgetreue Berichterstattung über die Schrecken des Krieges gestärkt. Die Eliten haben damals beschlossen, dass das nie wieder passieren durfte. Der nächste grosse Krieg war der erste Irak-Krieg in 1990. Damals entstand das Phänomen “Embeddedness”. Berichterstatter sahen nur noch die Dinge, die sie sehen durften.
Eigentlich müssten Journalisten sich weigern unter Aufsicht zu berichten oder wenigstens in ihren Berichten erwähnen dass sie sich nicht frei bewegen konnten. Aber viele Journalisten schreiben ihre Artikel lieber während sie im Hotel sitzen bleiben.
Viele sogenannte Kriegsberichterstatter sind feige und karrieregeil und lieben es Pfadfinder zu spielen, ausgerüstet mit Helmen und schusssicherer Weste.
Nur wenn man sich auf dem Kriegsschauplatz selbst befindet, kann man feststellen was wahr ist. Und dadurch tragen die Medien auch Schuld am Verlängern des Krieges indem sie die westlichen Illusionen aufrechterhalten, das ist genau so tödlich wie Waffen zu liefern.
Beispiele für Zensur sind der Bericht von Amnesty oder eine Doku von CBS, wonach 70% der gelieferten Waffen nie ankommen. Beides wurde heftig kritisiert und dann totgeschwiegen. (Tolles Zitat: “I often wonder how much you can sweep under the carpet, until the lump under the carpet is just so large that you can even walk across the room.”)
POLO = the Power Of Leaving Out, oder das was wir Lückenpresse nennen.
Es gibt ein paar sehr gute unabhängige Reporterinnen in der Ukraine (ja, es sind Frauen, als keine Reporter*innen), zu nennen wären Lindsey Snell und Eva Bartlett.
Ein Zitat von Patrick Lawrence: “Alle Korrespondenten bringen ihre Politik mit, so wie ich es in Portugal getan habe. Das ist eine natürliche Sache, eine gute Sache, eine Bestätigung ihres engagierten, bürgerlichen Selbst, die keineswegs zu beanstanden ist. Die Aufgabe besteht darin, die eigene Politik mit der beruflichen Verantwortung in Einklang zu bringen, mit dem einzigartigen Platz, den Korrespondenten im öffentlichen Raum einnehmen. Man darf Journalismus und Aktivismus nicht verwechseln. Man tut sein Bestes, um seine Voreingenommenheit, seine politischen Neigungen, seine Vorurteile und was auch immer aus den Dossiers herauszuhalten, die man seiner Auslandsredaktion schickt. Das erfordert Disziplin und geordnete Prioritäten.
Das bekommen wir von den westlichen Korrespondenten, die für die Mainstream-Medien über die Ukraine berichten, nicht geboten. Sie mögen den Fehler, Journalismus mit Aktivismus zu verwechseln, mit unabhängigen Publikationen in Verbindung bringen, und das ist auch gut so - bis zu einem gewissen Punkt. Das kommt vor. Die Wahrheit ist, dass sich fast alle Mainstream-Journalisten, die aus der Ukraine berichten, dieses Fehlers schuldig machen - und ich bin schon beinahe so weit mein "fast" zu streichen. Sie sind in Wirklichkeit Aktivisten für die Sache des amerikanischen Nationalen Sicherheitsstaates, dessen Kampagne gegen Russland und Washingtons aktuelle Bemühungen seine Vormachtstellung zu verteidigen.” Fazit: ein Journalist sollte kein Aktivist sein!
Noch ein paar Tatsachen worüber widersprüchlich berichtet wird:
Die Bombardierung des Gefängnisses von Jelenowka auf dem Territorium der Volksrepublik Donezk. Dort befanden sich die Kriegsgefangenen aus Azowstal. Die westlichen Medien habe Mühe zu erklären warum die Russen ihr eigenes Gefängnis beschiessen sollten. Warum sollte die Ukraine das tun? Eine Vermutung ist dass die Insassen angefangen haben auszupacken und dass das die Ukraine in ein ungünstiges Licht stellte, sie also von Kriegsverbrechen beschuldigte.
Die Bombardierung der Kernzentrale Saporoschje, die die Russen bereits Anfang März erobert hatten. Die Russen hatten dort Truppen stationiert um die Kernzentrale zu bewachen. Die Berichterstattung ist sehr widersprüchlich. Eines Tages meldete Kiev, dass die Russen “were sheltering” (also Schutz suchten) in der Zentrale, am nächsten Tag hiess es, dass die Russen “were shelling the plant” (also die Zentrale beschossen haben sollten). Ein kleiner Schreibfehler? Tönt ja so ählich…